„Die Wiedervereinigung Deutschlands – Erfolge und Herausforderungen im Lichte der gegenwärtigen Debatten”
Am 15. Juni 2022 fand im West-Institut (Instytut Zachodni) in Poznan eine internationale Konferenz mit dem Titel: „Die Wiedervereinigung Deutschlands – Erfolge und Herausforderungen im Lichte der gegenwärtigen Debatten”, statt.
An der Tagung nahmen hauptsächlich auf die Thematik spezialisierte Wissenschaftler aus West- und Ostdeutschland teil, sowie eine Referentin aus Polen. Grundlagen der Analyse waren sowohl individuelle Forschungsergebnisse als auch eigene Erfahrungen und Beobachtungen. In zwei thematischen Blöcken stellten die Vortragenden ein differenziertes Bild der zahlreichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen dar, die sich nach der Wiedervereinigung Deutschlands in verschiedensten Lebensbereichen vollzogen haben. Dabei versuchte man näher auf die Frage einzugehen, ob diese Prozesse zu einer Milderung oder eher zur einer Vertiefung der Ost-West-Spaltung beigetragen haben, und inwieweit dies die gegenseitige Wahrnehmung der beiden Gesellschaften beeinflusst hat. Die Darstellung der analogen wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Transformation Polens nach 1990 (mit besonderer Berücksichtigung der Region Łódź), erlaubte dabei, die Erfahrungen beider Länder zu vergleichen, wobei sowohl gewisse Gemeinsamkeiten als auch Differenzen wahrgenommen werden konnten.
Viel Aufmerksamkeit wurde nicht nur dem Umbau der wirtschaftlichen und sozialen Strukturen in Ostdeutschland sowie der Rolle und Bedeutung der Treuhandanstalt (damals und heute) gewidmet, sondern auch der mentalen Kondition der Menschen in den neuen Bundesländern. Es wurde vor allem über die kulturellen und mentalen Probleme beim „Aufbau Ost” und bei der Integration der Ostdeutschen, gesprochen. Es zeigte sich, dass die sog. „Schocktherapie” nicht selten zu Frustrationen, Irritationen und Missverständnissen geführt hat. Die gesellschaftliche Umgestaltung Ostdeutschlands verlief also mitnichten reibungslos und war zudem mit vielen Protestaktionen der mit den Auswirkungen des Transformationsprozesses unzufriedenen Bevölkerungsgruppen, verbunden. Äußerst interessant waren darüber hinaus auch die Fragen der Identitätsprobleme, welche die junge deutsche Referentin als Vertreterin der „Nachwende-Generation”, schilderte. Diese Generation, die schon unter völlig anderen politisch-sozialen Bedingungen aufgewachsen war als die frühere, ist mit ganz anderen Dilemmas konfrontiert. Am Beispiel der eigenen Biographie veranschaulichte die Referentin, wie kompliziert das Phänomen der Suche nach der eigenen Identität im vereinten Deutschland sein kann.
Die Konferenz hat nicht nur signifikante Aspekte der Transformationszeit bildhaft zum Ausdruck gebracht, sondern sie auch in neuem Licht dargestellt und bewusst gemacht, dass auf dem Gebiet der deutsch-deutschen Annäherung noch vieles aufgearbeitet werden muss.
Eröffnung der Konferenz: 9.30Uhr
Begrüßung:
- Dr. Justyna Schulz (Direktorin des West-Instituts, Poznań)
- Piotr Womela (Konrad Adenauer Stiftung, Warszawa)
I. Panel:
- Zur Idee und Konzeption der Ausstellung „Umbruch Ost. Lebenswelten im Wandel”, (Dr. Ulrich Mählert, Berlin)
- Ostdeutsche Befindlichkeiten - Ein Rükblick auf drei Jahrzehnte im Lichte der gegenwärtigen Debatten ( Stefan Wolle, Berlin)
- Zum Problem der Sprecherposition in der deutsch-deutschen Debatte (Prof. Dirk Oschmann, Leipzig)
- Die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Transformation in Polen. Eine soziologische Analyse am Beispiel der Region Łódź (Dr. Lucyna Prorok, Łódź)
Moderation: Dr. Justyna Schulz (Poznań)
II. Panel:
- Einheit und Transformation. Erfahrungen und Untersuchungsergebnisse der Transformationszei” (Prof. Detlev Brunner, Leipzig)
- Euphorie und Ernüchterung, Aufbruch und Abwicklung, Wirtschaft und Kultur: Über die Rolle des postsozialistischen Wirtschaftsumbaus in Ostdeutschland (Dr. Marcus Böick, Jena)
- Von ”Jammerossis" und "Besserwessis": Abweichende Erwartungshaltungen, irritierende Missverständnisse und anhaltende Zerwürfnisse bei der "mentalen Einheit" (Dr. Christoph Lorke, Münster)
- “Ist zusammengewachsen, was zusammengehört?” – Perspektiven der (Nach)WendeGeneration auf die Transformationszeit (Judith Märksch, Berlin)
Moderation: Dr. Maria Wagińska-Marzec (Poznań)